Vom Schreiben leben. Das ist ein toller Traum und ein großartiges Ziel, wenn du wirklich FÜRS Schreiben lebst. Wenn es dich erfüllt und der Gedanke, nie wieder zu schreiben, einen miesen Knoten in deinem Magen bildet.
Wie bei allem macht aber auch hier die Dosis das Gift. Denn vom Schreiben leben ist kein kleiner Traum, den man mal eben so erreicht. Es ist ein Marathon-Ziel, das sehr viel Arbeit, Zeit, Ausdauer und Kraft erfordert. Vor allem aber erfordert es Geduld und den eisernen Willen, sich nicht mit anderen Autoren und deren Weg zu vergleichen (dabei verlierst du in der Regel immer).
In meiner neuen Folge spreche ich darüber, was mir passiert ist, als ich mich zu sehr auf den Wunsch “Vom Schreiben leben” verkrampft habe und wie ich gerade noch die Kurve bekommen habe. Viel Spaß beim Anhören!
Unsere “Wahrheiten” in Frage gestellt
Angefangen hat alles mit dem Buch “Dear Writer, you need to quit” (Affiliate Link). In dem Buch geht es darum, die Vorstellungen und “Wahrheiten”, die wir so mit uns herumschleppen, zu hinterfragen. Egal, wie lapidar oder auch wie wahr sie uns erscheinen mögen. Denn das, was wir für richtig halten, kann uns in Wahrheit oft blockieren und daran hintern, unseren Träumen und Zielen nachzugehen.
Dazu habe ich dir ein paar Beispiele mitgebracht.
Ich kann nur schreiben, wenn mich die Muse küsst.
Wirklich?
Bist du sicher, dass deine Ideen nicht aus deinem Kopf stammen, sondern ein höheres Wesen sie dir einflüstert und dass du nur arbeiten kannst, wenn sie anwesend ist?
Tägliches Schreiben schadet nur, weil der Druck zu groß ist und mich lähmt.
Wirklich?
Tägliches Schreiben kann auch so aussehen: Dokument öffnen, einen Satz schreiben, speichern, Dokument schließen.
An einigen Tagen wird es nur das sein, an anderen wird es von ganz allen mehr. Wenn du dir viel mehr Druck machst und es dir viel schlimmer ausmalst: Warum?
Psst: Zum Thema “tägliches Schreiben” habe ich übrigens ein interessantes Experiment gemacht, über das ich bald mehr erzähle. Abonniere gern meinen Newsletter, damit du diesen Artikel und weitere auf keinen Fall verpasst!
Ich kann nur schreiben, wenn die Bedingungen xyz erfüllt sind.
Wirklich?
Braucht es die rituelle Kerze, die Tasse Kaffee oder das Stück Schokolade zum Schreiben? Rituale sind natürlich immer was tolles und wenn du es dir so zum Schreiben gemütlich machst und dich wohl fühlst, go for it! Das macht es zu einem “nice to have”, aber ist es auch ein “Muss”? Kannst du gar nicht, zu 100% nicht schreiben, wenn du z.B. auf Reisen bist und deine Schreib-Kerze zu Hause vergessen hast? Wirklich?
Diese Beispiele geben nur das wieder, was ich am meisten höre und sollen in ganz einfacher Form darstellen, worum es geht: Allgemeinplätze zu hinterfragen.
Mich hat das oben genannte Buch (ich habe es als Hörbuch angehört) auf eine ganz andere und für mich viel wichtigere Frage gebracht:
Muss ich wirklich vom Schreiben leben?
Die Antwort ist recht simpel: Nein. Ich habe einen Job, den ich gern mache und der mein Leben finanziert. Durch den ich in der Lage bin, meine Bücher lektorieren, korrigieren und mit einem professionellen Cover versehen zu lassen.
Würde ich es annehmen, wenn mein nächstes Buch plötzlich ein riesiger Erfolg wird und alle anderen Bücher mitreißt? Natürlich!
Vom Schreiben leben ist immer noch ein Wunsch, der in mir schlummert. Aber etwas hat sich verschoben – musste sich verschieben – damit mich dieser Wunsch nicht mehr blockiert.
Mein Problem war: Ich veröffentliche nicht erst seit gestern. Inzwischen habe ich dreizehn Romane und Novellen herausgebracht, bilde mich seit vielen Jahren immer weiter fort und arbeite mit Dienstleistern zusammen, um professionelle Bücher auf den Markt zu bringen.
Und trotzdem bin ich in meiner Autorenkarriere noch nicht an einem Punkt, an dem eine Neuveröffentlichung mehrere tausend Euro in meine Kassen spült. Der “Tipping Point”, also der Punkt, ab dem sich all die harte Arbeit rentiert und der große Erfolg ins rollen kommt, müsste meiner Meinung nach direkt um die Ecke sein.
Aber mit jedem Buch, das ich veröffentlichte, stellte ich fest, dass es doch erst die nächste Ecke war. Oder die übernächste. Oder die danach.
Und das ist unglaublich frustrierend.
Eigentlich weiß ich auch ganz genau, dass dieser Kipppunkt bei jedem an anderer Stelle kommt. Manche Autoren erleben ihn nach drei Büchern, andere nach dreißig. Manche niemals, und trotzdem schreiben sie ihr Leben lang und sind damit glücklich. Nur hat dieses Wissen mich nicht im geringsten vor dem Frust beschützt, der sich immer weiter anhäufte.
Vom Schreiben leben: Der Teufelskreis
Dieser Frust führte mit der Zeit plötzlich zu ganz komischen Gedanken.
Zum Beispiel war ich plötzlich der Meinung, dass meine Bücher schlecht sind. Dass ich schlecht bin, dass ich nicht schreiben kann oder meine Ideen nichts taugen.
Und das stimmt einfach nicht. Meine Bücher haben gute Rezensionen. Ich bekomme begeistertes Feedback von Leserinnen.
Falls du in einer ähnlichen Lage steckst, hier ein paar Gründe, warum sich Bücher nicht verkaufen:
- die Leute kaufen weniger, weil das Geld knapp ist
- die Cover passen nicht in das, was gerade angesagt ist
- der Klappentext ist nicht einladend genug
- wir reden nicht oft genug über unsere Bücher
- das Thema an sich ist gerade nicht angesagt
- die Leute packen Band 1 auf ihren SUB (Stapfel Ungelesener Bücher) und kaufen keine Folgebände, weil sie so viel auf dem SUB haben, dass sie nicht zum lesen kommen
- …
Wie du siehst, kann es viele Gründe haben, warum Bücher sich nicht verkaufen und keiner davon hat was mit dir – oder mir – und unseren Ideen, bzw. unserem Können zu tun.
Trotzdem passiert es unglaublich schnell, in Gedanken wie “ich kann nicht schreiben” oder “meine Ideen taugen nichts” abzurutschen. Uns plötzlich mit anderen Autoren und deren Schreibstil und Erfolg zu vergleichen (obwohl wir geschworen haben, das nie zu tun!).
All diese Gedanken und der Frust führten schließlich zu einer inneren Blockade. Ich hörte auf, zu veröffentlichen.
Rate, was passiert ist. Nicht zu veröffentlichen hat meine Verkäufe NICHT angeschoben. Wer hätte es gedacht?
Für mich war das aber nur ein weiterer Beweis, dass meine Romane nichts taugen und ich zog mich weiter zurück. Bis dahin, dass ich Bücher nicht mal mehr zu Ende schreiben konnte. Der Gedanke dahinter war ganz logisch. Wenn ich nichts fertig schreibe, kann ich es auch nicht veröffentlichen. Dann muss ich auch nicht sehen, dass es wieder kein spontaner Bestseller ist.
Offiziell wollte ich immer noch schreiben und veröffentlichen. Aber um mich vor der Enttäuschung zu schützen, fand mein Kopf plötzlich mit jeder Geschichte gegen Ende irgendein Problem. Eine Szene ließ sich einfach nicht ausformulieren. Oder das Gefühl des ganzen Buches war plötzlich seltsam. Irgendwas passte einfach nicht.
Das nährte natürlich wieder den Glauben, dass ich nicht schreiben kann, also ließ ich es schließlich ganz bleiben und fasste keines meiner Manuskripte mehr an.
Eine Autorin, die nicht schreibt
Erinnerst du dich an den miesen Knoten im Magen, den ich ganz am Anfang beschrieben habe? Das war mein ständiger Begleiter. Wenn die Frage in den Raum gestellt wird, ob ich das Schreiben einfach an den Nagel hängen soll, löst das in mir jedes Mal eine heftige Reaktion und ein klares “Nein!” aus.
Ich bin Geschichtenerzählerin. (Mit Ursulas Worten: My dear sweet child, that’s what I do.)
Es nicht mehr zu sein, hat mich wirklich runtergezogen.
Also habe ich vor etwas über einem Jahr die Notbremse gezogen und beschlossen, eine kleine Challenge mit mir selbst zu machen. Ich würde einen Monat lang JEDEN Tag schreiben. Egal wie viel. Nur ein Satz? Zählt.
Weil es nicht darum ging, wie viel ich schreibe, sondern darum, DASS ich schreibe. Um mir selbst wieder zu beweisen, dass ich es kann.
Wie gesagt gehe ich auf dieses Experiment an dieser Stelle nicht großartig ein, weil dazu bald ein eigener Artikel rauskommt (abonniere meinen Newsletter, um sofort informiert zu werden, wenn die Podcast Folge und der Artikel dazu veröffentlicht werden).
Aber das Resultat dieses Experiments war die Feststellung: Ich KANN schreiben. Und ich SCHREIBE auch.
Dass ich noch nicht vom Schreiben lebe, liegt also schon mal nicht an meiner Unfähigkeit, mir Wortreihenfolgen auszudenken und diese niederzuschreiben.
Das mag dir vielleicht klein erscheinen, aber für mich und die Situation in der ich war, war das ein bahnbrechender Erfolg. Die Kombination aus dem Beweis, den ich für mich selbst geschaffen habe und dem Denkanstoß durch das Buch “Dear Writer, you need to quit” (Affiliate Link) hat mir geholfen, die ersten Blockaden zu lösen und mir wieder die Energie und das Vertrauen in mein Schreiben und mich selbst gegeben.
Wie sieht es bei dir aus? Kannst du vom Schreiben leben? Ist das überhaupt dein Ziel?
Oder überdenkst du diese Wahrheit (und weitere) vielleicht gerade?
Schreib mir gern in die Kommentare, ich freue mich schon auf einen höflichen Austausch!
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